Samstag, 30. Juni 2012

"zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust"


Auf ins Abenteuer
Es war ein bewegender Augenblick, alle zusammen den Abi-Abschluß-Ball unserer Jüngsten zu feiern. Unser Sohn war von der Schule beauftragt, die Bilder zu machen. Ich kann es alles nicht mehr fassen. Der fröhliche Schein auf den Bildern trügt. Nein, wir waren fröhlich, sehr sogar. Mir fehlen die Worte. Alle sind noch hier auf der Terrasse mit Freunden und Freundin - bei schönstem Wetter. Ich hab einen dicken Kloß im Hals und frage mich, warum dass so sein muss dass wir jetzt fahren, oder warum es einfach nicht so bleiben kann. Augenblick verweile doch, du bist so schön. Goethes Faust hilft mir jetzt nicht weiter. Es ist doch freiwillig, niemand hat uns gezwungen. Warum Abschied nehmen, wenn es am Schönsten ist. Wir sind uns sehr nah, und wo so viel Licht ist, ist halt auch Schatten. Wir werden alle drüber hinweg kommen. Wenn wir uns doch einfach einfach immer mal zwischendurch sehen könnten. Auf jetzt - sonst wird es nicht mehr gehen. Ihr könnt es euch vorstellen. Ich weiß, dass ihr an uns denkt. Ich seh nichts mehr - liegt sicher an der billigen Ersatz-Fielmann Brille.

Mittwoch, 27. Juni 2012

5. Beethoven - Schicksalssymphonie

(Zitat Peter, gefunden von Monika)
In diesen Tagen habe ich zum letzten Mal oft an meine Berufsmusiker-Vergangenheit gedacht - und mit lieben Kollegen über die traurige Situation der Kulturlandschaft nicht nur in NRW, sondern Deutschland weit gesprochen. Ich habe mich dabei erwischt, doch noch von "meinem Orchester" gesprochen zu haben, wenn es morgen am 28. Juni um Leben und Tod geht, die finale politische Entscheidung, ob das "Kunst ist oder weg kann" - die Auflösung der Ber gischen Symphoniker. Ich bin seit 2009 nicht mehr dabei, aber es lässt mich nicht kalt, obwohl ich oft gedacht habe, dass sich diese Kunst-Form überholt hat, ein überaltertes Publikum dahin stirbt und der Nachwuchs nur noch temporär mit spielt, schon in jungen Jahren entmystifiziert . Ich habe damit abgeschlossen, und es ist gut so. - Bis ich heute von meiner Schwester das Video des 3-Jährigen Jonathan gezeigt bekam (s.u.). Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich mir einen solchen fantastischen Dirigenten seit ewiger Zeit gewünscht habe. Dieser kleine Kerl hat mich in seinen Bann gezogen - das ist Musik durch und durch und ein fulminanter Abschluss meines Berufsmusiker-Lebens. So macht mir die 5. Beethoven-Sinfonie wieder Freude. Ja, ihr bornierten Generalmusikdirektoren und Kulturschaffenden, hört und seht euch das an. Ich habe diesen Enthusiasmus, die Urfreude an Klang, Dynamik, Tempo, Farbe in keinem Konzert mehr erlebt in den letzen Jahren,  - auch nicht bei großen Orchestern. Mag sein, dass ich übertreibe. Es ist ein Schlüsselerlebnis für mich und ich bin froh, dass ich die Freude und Begeisterung an der Musik in mein neues Leben retten konnte. Kurz vor dem Überdruss und der Verstümmelung durch den Musiker-Alltag. Ich werde mir diesen kleinen Jonathan noch öfter anhören - auf den Wellen der Meere. Danke Birgit!

Montag, 25. Juni 2012

Countdown - Leere - Ausfahrt freihalten

In 6 Tagen schlagen wir ein neues Buch auf und das alte ist so voll, dass es überquillt, kaum noch zu schliessen ist. Ist es eine Mentalitätsfrage, dass immer jenes Gefühl sich durchsetzt, nicht alles getan oder bedacht zu haben? Ja ja, man könnte alles mit gutem Gewissen mal hinter sich lassen, aber es zieht und zerrt an allen Ecken, statt uns frei zu geben. Ausfahrt freihalten !!!  Es war vor jedem Urlaub so - insbesondere in der Selbständigkeit des Einmann-Unternehmens, ohne Urlaubsvertretung: Immer kurz vor der Abfahrt kamen lauter Anfragen und Bitten. Und jezt ist es noch extremer, weil wir nicht nur mal 2-3 Wochen weg sind. Es ist ein Feuerwerk, das sich von Tag zu Tag steigert und am Freitag mit  dem Abschlussball unserer Jüngsten Tochter endet. (Hier im Tal geht gerade ein großes Feuerwerk mit einem Kanonenschuss zu Ende).  Wir fahren nächstes Wochenende nicht NONSTOP nach Kroatien, aber auch nicht zu Freunden übernachten, sondern recht bald in eine kl. Pension, abschalten, nicht noch mehr Abschiede. Darin bin ich nie gut gewesen. Jetzt muss ich die Traurigkeit akzeptieren und kann nur hoffen, dass ihr versteht, wenn wir für alle(s) zu wenig Zeit haben.
Die lezten Monate - wenn nicht noch länger - waren ein dauerndes Loslassen, um Neues zu (be)greifen.
                        Leere-----
Vieles was lieb und wichtig war, lange überlegt und zusammengespart, gemischt mit schönen Erinnerungen, ist nun abgegeben, oder in Travellerchecks gewandelt. - Übrigens eine gute Sache, weil max. 5,- Bearbeitungskosten, keine Gebühren beim Einlösen in der Jeweiligen Landeswährung - und wertlos bei Diebstahl. Anyway - Es bleibt trotz aller Anspannung eine Leere, die sich in ein paar Wochen sicher wieder (er)füllt. Das materielle Auflösen ist nicht soo schwer, aber wir lassen unsere 3 Kinder und die Eltern hier. Und es ist für alle nicht einfach möglich, mal in die Karibik zu fliegen. Ich denke an meine Tochter, die vor zwei Jahren für ein Jahr nach Neuseeland aufbrach - wir wussten alle, dass wir nicht einfach mal hinterherfliegen können, wie die Zugvögel, die zeitgleich unser Haus überflogen. Sie hatte den Mut schon vor uns, nur diesmal brechen wir selber auf - das ist etwas anderes. Wir sind nicht mehr die "secure base" at home. Es kommt alles zusammen: Die Verabschiedung von unserem bürgerlichen/beruflichen Leben und die Auflösung des bisherigen Familienlebens, eines 5-köpfigen Rudels. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr das alles unser Leben beeinflusst, bestimmt und ausgemacht hat. Es ist der Lauf der Dinge, den unsere Eltern ebenso aushalten mussten, wie deren Eltern. Und oft war deren Anlass für Aufbruch nicht so grundsätzlich erfreulich wie unserer. Also, ALLES IST GUT ! Da ist unser täglicher Leitspruch. Wenn wir es schaffen, den Kontakt zu euch zu halten. Ich möchte glauben, dass es NICHT so ist: "aus dem Auge aus dem Sinn".  WIR SIND ERREICHBAR!  Während mancher Nachtfahrt und Nachtwache wird viel Zeit sein, auch über Freundschaft nachzudenken. Ich freu mich auch darauf - und auf Wärme. Es ist seit Wochen Herbst in Deutschland. Und das ist wirklich so, nicht nur gefühlt.  11 Grad heute morgen.

Freitag, 1. Juni 2012

Die Geschichte geht weiter

Unesco Weltkulturerbe Lunenburg, Foto ww.hicker.de
Nach ein paar Tagen voller Behördengänge sind wir nun überglücklich im Besitz der Permanent Residence und haben sogar schon die Zollformalitäten für unsere LIZA geregelt. Nun verschnaufen wir erst mal in einem kleinen Städtchen Lunenburg, das aussergewöhnlichen Charme hat. Und das sicher auch, weil es von Lüneburgern im Jahr 1753 gegründet wurde  Die gepflegten viktorianischen Wohnhäuser mit ihren liebevoll gestalteten Vorgärten und ihren geschmackvollen Fassaden zeugen davon, dass diese Stadt auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann. Und diese begann im Jahr 1753.
1453 neue Siedler, die vor allem aus den Regionen im Südwesten Deutschlands, dem Montbeliard Distrikt in Frankreich und aus der Schweiz stammten, wurden ins Land gebracht. Die meisten von ihnen sprachen Deutsch und sollten dem Einfluss der katholischen Franzosen in Nova Scotia entgegen wirken. Jeder Siedler erhielt ein kostenloses Grundstück für Haus und Garten und zusätzliches Land zur landwirtschaftlichen Nutzung.
Die neu entstandene Siedlung erhielt den Namen Lunenburg nach dem damaligen englischen König George I., der aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg stammte.
Von daher stammt auch meine liebe Mutter, die wir gestern zum Geburtstag per Satelliten-Handy angerufen haben und dann in Lunenburg vor der webcam von unserem Freund Ralf Pickart     zugewunken und geskyped haben. Das wiederum hat Vater  mit seinem neuen iMac festgehalten (siehe Bild links)  Es ist so ein seltsames Gefühl, dass unsere Geschichte nun hier weiter geht. Wir besichtigen heute das berühmte Schiff BLUENOSE, das vor 12 Jahrem unserem neuen Zuhause den Namen gab. Damals ahnten wir nicht dass wir einwandern würden, zudem mit einem eigenen Schiff.  Wir werden uns heute mal das Fischerei-Museum anschauen und den Fortgang der Restaurierung der geliebten Bluenose, die ihr hier auf der webcam sehen könnt.. 
Wie die Geschichte der Lunenburger hier weiter ging:
Lunenburg entwickelte sich von der landwirtschaftlichen Produktion hin zur Fischerei
Ursprünglich war geplant, dass die neuen Siedler Landwirtschaft betreiben sollten, um die neue britische Hauptstadt Nova Scotias - Halifax - mit Lebensmitteln zu versorgen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass dies nicht so einfach war, wie sich das die Obrigkeit vorgestellt hatte. Und obwohl Ende des 18. Jahrhunderts landwirtschaftliche Produkte nach Halifax geliefert wurden, war bald klar, dass die Zukunft der Stadt anderswo lag.
Die Lunenburger Bürger wandten sich dem Meer zu und widmeten sich dem Fischfang, der bis vor wenigen Jahren der Haupterwerbszweig der Stadt war. Die ersten von ihnen fischten vor der Küste Labradors, wo sie riesige Kabeljauschwärme vorfanden. Als dann Ende der 1860er Jahre neue Trawler Techniken eingeführt wurden, wandten sich die Fischer von Lunenburg den Grand Banks vor Neufundland zu und der Western Bank südwestlich von Sable Island - einer berüchtigten Sandbank südlich der Küste von Nova Scotia.
Von dort brachten sie Kabeljau nach Hause, den sie im Laderaum ihrer Schoner einsalzten und an Land brachten. Dort wurde er auf Trockengestellen ausgelegt und getrocknet, bevor er zu den Märkten in aller Welt weiter verschifft wurde.
Der Niedergang der Atlantikfischerei und Lunenburgs Entwicklung zum Touristenziel
Bis in die frühen 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bestand die Fischereiflotte Lunenburgs aus modernen Fisch Trawlern und Muschelschleppern, die weit entfernt waren von den früher üblichen ungemütlichen und beengten Schonern.
Seit jedoch die Kabeljauschwärme des Atlantiks immer weniger werden, hatte auch die Stadt Lunenburg ums Überleben zu kämpfen. Aufgrund ihres gut erhaltenen Stadtbilds mit schönen Kapitänsvillen, die sich oberhalb des Hafens den Berg hinauf erstrecken, den alten Lagerhäusern am Hafen und den Tante Emma Läden, die heute Souvenirs für Touristen verkaufen, hat sich das Schicksal Lunenburg gegenüber als gnädig erwiesen.
Lunenburg lebt heute hauptsächlich vom Fremdenverkehr, und die Werften am Hafen, die ehemals Gaffelschoner und Trawler bauten, stellen heute historische Segelschiffe und exklusive Yachten für zahlungskräftige Kunden her. Die Vergangenheit Lunenburgs als Fischereizentrum Nova Scotias wird romantisiert und zelebriert im Stadtzentrum und vor allem entlang des Hafens der Stadt.
Quelle: http://monika-fuchs.suite101.de/, Professor Marian Brinkley, From Fishing Centre to Tourist Destination, The Restructuring of Lunenburg, Nova Scotia, Faculty of Arts and Social Sciences, Dalhousie University, Halifax, 2000 und eigene Recherchen vor Ort