Freitag, 14. Dezember 2012

Atlantiküberquerung - Nachlese

Das Erlebnis Atlantiküberquerung in Worte zu fassen ist eigentlich unmöglich. Wenn man nicht selbst mitgefahren ist, kann man sich nicht vorstellen, was es für Emotionen sind, wenn die ersten Vögel nach Wochen an Bord auftauchen. Ich kann Euch vom Fink erzählen, der einfach mit eingestiegen ist, und ein paar Tage mitgefahren ist , oder siehe ganz unten das Photo von einem Ibis-Paar, das ein paar hundert Meilen bei ziemlichem Starkwind so erschöpft war, dass es eine Weile einfach mitgefahren ist. Sie können ebenso wenig auf dem Wasser ausruhen, einfach mal aussteigen, wie wir unser Gefährt nicht einfach mal anhalten konnten, wie ein Auto am Straßenrand abstellen, Motor aus - Ruhe. Nein, ein Schiff ist immer in Bewegung, macht immer Lärm, durch meterhohe Wellen verursacht (s.u.). Man ist immer bewegt, abschalten geht kaum. Wenn man nicht mit allen Sinnen dabei ist, den Himmel beobachtet und die in wirklich Sekunden aufziehenden Squalls mit kurzen, starken Winden aus ganz anderen Richtungen bemerkt, dann ist es zu spät, noch zu reffen oder Parasailor bzw. Großsegel zu bergen. Viele Schiffe hatten genau deshalb Stag gebrochen, Segel gerissen etc. Wir sind glücklich, dass eigentlich nur der Karten-Plotter ausgefallen ist, auf den wir verzichten konnten dank doppelter bzw. dreifacher Laptop-Navigation und Pad und iPhone (Navionics-Karten als backup immer dabei). Ich könnte jetzt hier die üblichen Statistiken auflisten, nur 48 Stunden motort mit einer Maschine, Monika ca. 8 Brote gebacken, 10  große Fische gefangen usw., aber was sagt das aus über das, was man auf dieser wohl längsten Passage im Leben eines Seglers von über 5500 km wirklich empfunden hat? Die Angst angesichts der fast masthohen Wellen ist nicht zu beschreiben, verschwindet auch mit der Zeit positiver Erfahrungen nie ganz. Geblieben ist bis zuletzt die Sorge, was man ohne Autopilot (Selbststeuerungsanlage) gemacht hätte. Wir haben jeden Tag ein paar Stunden von Hand gesteuert, auch um in Routine zu bleiben. Aber es wäre schon eine kleine Katastrophe gewesen, wenn man nachts statt nur alle 15-20 Min nach Lichtern und auftürmenden Wolkenbergen  zu schauen, permanent hätte lenken müssen. Wir hatten meist nur die Fock (und die sogar bei unbeständigen Winden auch noch gerefft) draußen und somit keinen Stress. Das Schiff fuhr sozusagen allein. Irgendwann haben wir notgedrungen lernen müssen, trotz der vielen heftigen Geräusche in der Koje total abzuschalten und demjenigen zu vertrauen, der gerade draußen Wache hat. Der hat doppelte Sicherung (AIS-Notsignal und EPIRB Sat-Notsender) , weil niemand hören würde, wenn er/sie über Bord gegangen wäre.  Das Schiff wär einfach allein weitergefahren, erst die nächste Wache nach 3 Stunden hätte den Verlust bemerkt. Aber die Alarme hätten sofort ausgelöst, an Bord und in den Rettungs-Koordinierungsstellen an Land.
Auf die Frage, ob dies alles Glück sei, kamen gestern nach unserem "Happy Landing Festessen" (von Enrico zubereitete Röstis mit Apfelmus unter unvorstellbarem Sternhimmel) ganz unterschiedliche Kommentare. Man muss schon ziemlich verrückt sein, wenn man so etwas jahrelang macht, wie diverse Segelbuch-Autoren. Ein Stück Masochismus gar? Jede Gipfelbesteigung ist auch Schinderei, und doch ist das errungene Glück nicht vergleichbar mit dem, was der Seilbahnfahrer kurz bei einem schönen Ausblick empfindet. Gehört Leid zum Glück dazu? Wir haben Glück gehabt, es ist nichts gravierendes passiert.  `Glück gehabt` ist nicht das gleiche, wie `glücklich sein`. Wir haben eine Leistung vollbracht, deren Ausmaß uns jetzt nachher erst wirklich bewusst geworden ist. Es war wirklich kein Kinderspiel,  mit Barfuß-segeln ist es auch nicht getan. Im Gegenteil, wir haben oft genug Schuhe angezogen, bei jedem Segelsetzen-Manöver. Es ist viel harte Arbeit, gute Vorbereitung gewesen, die uns schon mit ein wenig Stolz erfüllt. Wir wissen, dass wir keine fanatischen Weltumsegler sind, selbst wenn der Pazifik mit seinen vielen Inseln unterwegs harmloseres Segeln bedeuten würde, als der rauhe Atlantik. Wir haben es also geschafft, aber es muss jetzt nicht bald wieder eine 3-Wochen dauernde Passage sein, sondern wir freuen uns auf das Inselhopping in Tagestörns. Es gab auch viel weniger Zeit zum Nachdenken, Lesen etc, als wir vorher dachten, oft hat man Tags über mit einigen kurzen Schläfchen die fehlenden Stunden in der Nacht wieder nachgeholt. Und es gab immer was zu tun im Bordalltag. Lesen war bei der Schaukelei nicht besonders erholsam bzw. unmöglich, das Hirn war einfach zu sehr auf schlichte Erholung aus, statt sich mit Literatur auseinander zu setzen.  Geselligkeit ist bei der Arbeitsteilung weniger möglich, als gedacht. Der schönste Tag war die Flaute, zwar etwas bangend, ob der Wind wohl wieder kommen würde, und ich habe an dem Tag gesagt, schlimmer als Sturm an Bord sei die Ungewissheit einer Flaute, aber wir haben zusammen sitzen können, das spiegelglatte Meer genießen können, weil noch nicht viel Diesel verbraucht bis dahin. Ich habe noch nie bewusst einen Himmel gesehen mit solch feiner Wolkenzeichnung und ohne die unpassenden Kondensstreifen der Flugzeuge. Es waren wochenlang keine Flugzeuge am Himmel zu sehen. Das sind diese kleinen Erlebnisse, die uns zum Staunen gebracht haben, oder z.B. der letzte Apfel brüderlich geteilt etc. Das ist alles wie gesagt kaum nachvollziehbar wenn ihr nicht dabei gewesen seid. Auch die Leere, die nach einem erreichten Ziel sich neben Glücksgefühl breit macht. Wir lassen sie zu, haben uns bewusst auch deshalb gegen St. Lucia entschieden, wo all die Legenden an den Stammtischen breit getreten und hochgespielt werden. Wir haben uns ohne vermeintliche ARC-Sicherheit auf uns selbst verlassen müssen und wollen den Rummel, das Feiern der Sieger gar nicht erleben. Die Ruhe hier im kleinen überschaubaren Port St. Charles ohne nächtelange Steelband-Musik ist genau richtig, auch wenn dadurch das Glücksempfinden weniger spektakulär ist, niemand für uns die Regie übernimmt, das wir toll waren. Das innere Fest hat den Wert, den wir ihm geben, das gilt sogar für eines dieser größten Abenteuer, die wir drei in unserem Leben hatten. Keiner steht am Steg und nimmt mit offenen Armen uns Atlatniküberquerer in Empfang. So hatten wir es gewollt. Umso schöner, dass wir uns über einige fröhliche SMS und emails freuen konnten, in denen Ihr Eure Freude und/oder Erleichterung zum Ausdruck gebracht habt.
Was mir die letzten Wochen gebracht haben ist die Erkenntnis, dass es auf die Balance von Vorbereiten und dann aber auch Erleben, Zulassen, sich aussetzen ankommt, auf die Balance von Denken und Nichtdenken = Sein. Vor allem den eignen Raum entdecken, der nichts mit der Umgebung zu tun hat, weil er in Dir ist, unabhängig. Es gibt Umgebungen, in denen der Friede, das Bewusstsein wahrlich leichter zu finden ist, z.B. in der meditativen Stille eines schönen Gartens oder Waldes. Und es kann sein, dass meine Seele zunehmend mehr nach dieser Harmonie sucht, als nach Abenteuer. Aber ich habe das herausgefunden inmitten der Unruhe, Bewegtheit auf hoher See und habe selbst dort meine Ruhe gefunden, meinen Raum drinnen. Das ist auch Glücksgefühl, mehr noch, als die Freude darüber, dass die ganze Vorbereitung und das Konzept der Ausrüstung aufgegangen ist, der Traum vom unabhänigigen Leben mit eigener Strom- und Wassergewinnung realisiert werden konnte.

Das Lenken sieht nicht nach Arbeit aus, aber bequeme Arbeitshaltung bei stundenlangem Lenken ist wichtig ;-)

blinder Passagier

stört mich bei der Navigation

in den Wellenbergen verschwindet unser Schiff mit 16,8 m Masthöhe
gelegentlich komplett



Wie im Paradies....
......wir mussten wirklich nicht hungern

Das sind die Squalls, die in wenigen Minuten irre schnell am Schiff sind und für heftige Turbulenzen sorgen

Das war der Flautenabend, aber auch mit ersten Passat-Wölkchen (wie von einer Dampflock ausgestoßen über dem Horizont)
 
glücklich, dass der Passat sich ankündigt. Bobby Schenk hat eine Woche in der Flaute auf Passat gewartet. Man kann halt nicht einfach unterwegs Diesel tanken. Unserer reichte immerhin für ein sechstel der 2800 SM.

"Wal-Bekanntschaft", wir sahen die Fontaine ein paar hundert Meter vor uns und plötzlich waren die beiden am Boot, wir konnten nicht ausweichen, weil sie aktiv auf uns zuschwammen....

.... und sich am der LIZA regelrecht gerieben haben. Hier seht ihr nur die Nasenspitze...

...., allein das Maul war fast halb so groß wie unser Schiff. Wirklich wahnsinnig aufregend!!!

Da ist uns so ein "kleiner essbarer Fisch" doch lieber (Goldmakrele)


der Ibis ruhte sich einen Tag aus an Bord, wurde immer zutraulicher und putze sich das zerzauste Gefieder


nach getaner Arbeit und der Feststellung, dass ihm Müsli, Brot, Dosenwurst, gekeimter Weizen nicht schmeckte, machte er sich wieder auf den Weg nach Abflauen des Starkwindes (35-38 Knoten!)