Mittwoch, 5. Juni 2013

angekommen in Lunenburg, Nova Scotia, Canada


Hier auf novascotiawebcam.com von Ralf Pickart festgehalten.
Unser Traum ist wahr geworden. Fast auf den Tag genau ein Jahr später sind wir in den Hafen von Lunenburg eingelaufen, wo wir damals noch umgekehrt vom Land aufs Meer geschaut haben, auf den weiten, unergründlichen Nordatlantik, uns fragend, ob wir jemals hier ankommen.
Wir gratulierten von hier via webcam meiner lieben Mutter, gebürtige Lüneburgerin, zum Geburtstag, wohl wissend, dass es für sie ebenso schwer sein würde, uns fahren zu lassen, wie für unsere Kinder. Aber sie alle haben uns ziehen lassen, an uns geglaubt und uns unterstützt, wo immer sie konnten. Ich würde euch so gern in die Arme schließen auf unserer euch vertrauten LIZA. Und auch unsere Freunde, "alte" und neue, die unsere Route verfolgt haben, in aller Stille, oder mit aufmunternden emails, oder mit Wetterberichten, Gedichten, uns passiv oder gar aktiv auf Teilstrecken begleitet haben, nicht nur in glücklichen Augenblicken, sondern im richtigen Moment zur Hilfe kamen, wenn uns der ewig unberechenbare Wind vor allem im Mittelmeer in die Knie gezwungen hat: Dank all Eurer Unterstützung haben wir nicht aufgegeben, sondern miteinander jede Lektion des Hochsee-Segelns aufbekommen und bewältigt. Das Schicksal hat uns bis zuletzt nicht verschont. Wir sollten offenbar jede Situation, vor der wir (un-)ausgesprochen Angst hatten, erleben und durchstehen. Wir waren ein Jahr lang quasi nicht krank, Dennoch habe ich oft gedacht, was ist, wenn ich als Skipper ausfalle. Natürlich hat Monika alles an Schiffsführung gelernt, aber "einhand" segeln ohne Co? Wir haben unsere Grundsätze und Regeln miteinander aufgestellt und uns jederzeit voll aufeinander verlassen (können). Eine davon ist, vor einem längeren Törn nicht am Abend vorher noch mal Essen zu gehen, sondern auszuschlafen und Bewährtes selber kochen. Diesmal auf dem letzten und anspruchsvollsten Kapitel unserer Reise nach Canada kam alles anders. Wir trafen Weltumsegler, die unser geliebtes Nova Scortia abseits der ausgetretenen Pfade auch noch besegeln wollten und wir beflügelten uns gegenseitig. Ein geplanter gemeinsamer Abreisetermin platze, wie so oft, und da es den Kölner Freunden von der Bella auf dem Weg zu den Azoren ebenso erging, beschlossen wir zusammen Essen zu gehen, nicht ahnend, dass sich über Nacht ein Tief in ein Hoch wandeln sollte und wir uns am nächsten Morgen innerhalb einer Stunde umentschieden. In die Freude, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, schon auf dem langen Weg durch die unendlichen Riffe um Bermuda, mische sich ein Rumoren im Magen, das ich anfangs als Aufregung interpretierte, sich am 2. Seetag aber als heftiger Darmvirus herausstellte. Monika machte eine lange Nachtschicht allein, suchte einen Kurs, der mir möglichst nicht so harte Schläge der Nordatlantikwellen gegen die Schiffs- und Magenwand verpasste. Es ging mir schlagartig so elend wie lang nicht mehr und meine tapfere Kapitana übernahm alles. Wir haben beide gelitten, aber zugleich die Angst vor dem "worst case" verloren, sozusagen doppelt geheilt.
Die Freude, endlich wieder meinen wackeligen Beinen vertrauen zu können und das riesige Parasailsegel zusammen zu hissen für zwei Tage und eine Nacht, begleitet von unzähligen Delfinen, fast zu fliegen in unsere 2. Heimat, kann ich kaum beschreiben.


Das Wasser ist auf der anderen Seite des Golfstroms innerhalb einer Stunde von 25 auf 14, zuletzt 9 Grad abgekühlt und Farbe sowie würziger Geruch sind mir so vertraut aus den Jahren in unserem Haus am Meer. Dorthin segeln wir nun die letzten Tagesetappen, um zusammen davor unseren Anker fallen zu lassen und ganz bewusst die Annehmlichkeiten des Landlebens zu genießen. Wir haben nichts Bahnbrechendes gemacht, sondern getan, was wir tun mussten und wollten, um unsere Liza hier her zu bringen. Für uns war es etwas Großes, Unerreichbares, an dem wir zusammen gewachsen sind und zusammengewachsen sind. Es war nicht wichtig, was wir getan haben, sondern DAS wir es getan haben. Wenn es nur einem von euch Mut gemacht hat, aufzubrechen aus der vielleicht erstarrten sicheren Umgebung, etwas "Ungeheures" zu wagen, egal wie groß oder klein, dann hat sich die Schreiberei über die im Kielwasser gelassenen 7000 Seemeilen gelohnt. Wir sind unendlich dankbar, dass wir jetzt angekommen sind in Canada, aber vor allem in uns. Ohne Heimat (egal wo und welche), ohne Zuhause bist du auf der Flucht. Und ohne ein Zuhause zu haben kannst du nicht wieder aufbrechen von Zuhause. 

Nochmal rückblickend:

Nach einem bewegenden Abschied, eskortiert von Ulrike und Matthias an der Bella vorbei gings los. Wir alle hoffen intensiv, uns wieder zu sehen. Die beiden sind noch am selben Tag aufgebrochen. Über Kurzwelle hörten wir noch zwei drei Tage später, dass sie keinen Wind fanden, viel Motoren mussten. Das ist das Tückische an diesen stationären Bermuda- und Azorenhochs. Wenn man mittendrin ist, gibts fast keinen Wind, wie im Auge eines Hurricanes.


Wir hatten auf Hochsee nette Begleitung wie die Delfine, aber auch massenweise Portugiesische Galeeren, von denen nur eine Tentakel so hochgiftig ist, dass man u.U. nach Berührung ins Krankenhaus muß. Wenn sie so mit uns vor dem Wind segeln, sieht das richtig niedlich aus mit dem blauen Punkt. Aber darunter die meterlangen Fäden.... Ich erspar euch die hässlichen Bilder, gibts genug bei Google.



Noch nie im Leben habe ich einen solch krassen Klimawechsel innerhalb vielleicht einer Stunde erlebt, schon gar nicht in einem an sich langsamen Segelschiff. Ok, mal von Köln nach Kroatien geflogen, dort schien die Sonne, aber dies hier im sogenannten Nordwall war der Wechsel von karibischer 26 Grad mit brennender Sonne im Golfstrom (25 Grad Wassertemperatur) in gefühlte 5 Grad Nordatlantik, real 13 Grad Lufttemperatur, 11 Grad Wassertemperatur, dazu dicker Nebel. Ein 280m Tanker hält Kurs auf uns zu,  ich funke ihn an mit der Bitte, seinen Kurs zu ändern, weil wir es wegen Schmetterlingsbesegelung vor dem Wind nicht können. Er tut es ohne Murren. Bei Welle bis zum Biminidach hat wohl jeder Kaptain eines Frachters in seiner vollklimatisierten Großraumkommandozentrale Mitleid mit einem Segelböötchen. Die letzten Wetterdaten versprechen konsequent ein durchziehendes Tief mit noch kälteren Temperaturen. Ok, dann bereiten wir uns mal darauf vor, zumal es uns in der Nacht erwischen könnte. Segel 2. Reff, alles festbändseln, Bullenstander, Fock auf 50% reffen, ausbaumen, um einen Vor-Wind-und-Welle-Kurs fahren zu können. Es kam wie erwartet, der Himmel zog sich zu, schnell wurden aus 20 erst 25, dann 34 Kn. Wind.
Wir steckten schon in Schwerwettersegelzeug wie in Holland im Herbst zum letzten Absegeltag, sogar Handschuhe und Mützen mit Ohrenklappen hatten wir an. Extremer kann ein Wechsel vom Karibik-Feeling in Nordseegefühle kaum sein. Nur einen Unterschied gab es dazu:
Wir rochen "unsere Insel" tatsächlich auf über 180 Meilen voraus. Es ist ein ganz besonders würziger, harziger Waldgeruch, den unsere Kinder schon in der Nase haben, weil oft intensiv gerochen. Er kroch uns mit der Feuchtigkeit ins Schiff, in die Kojen. Und da kamen auch schon die ersten Seevögel, liessen sich nieder bei Liza, verwechselten sie wohl mit den sonst üblichen Fischkuttern. Etwas früher schon als diese Vorboten umkreiste uns zweimal im Tiefflug die kanadische Obrigkeit, eine C-GMRS. Vermutlich sind wir schon biometrisch erfasst. Keine Fragen im Gegensatz zu einem Gespräch, dass wir mit einem Frachtschiff vorher schon auf Kanal 16 mitgehört hatten. Wir fuhren mit AIS, unser Schiffsname deutlich auch aus der Luft lesbar. Gut dass sie wissen, das wir kommen.
Inzwischen war Zoll, Custom, Immigration an Bord und haben alles "abgesegnet", das Schiff nicht komplett durchsucht, sondern unserer Einfuhr vertraut und uns mit den Worten begrüßt: I tell you a secret: this is the best country in the world. My name ist Jeff, my roots are german. Welcome in Canada

Ankunft bei Sonnenaufgang


Von diesem Augenblick habe ich jahrelang geträumt. 


Klar zum Anlegen, Lunenburg im Hintergrund, 8 Grad um 8 Uhr






zwei Ruderinnen in einem typischen Dori kommen uns entgegen
Und da liegt die Nomad, Doris & Wolf haben es auch geschafft. Die Wiedersehensfreude ist groß

Zur völligen Überraschung steht kurz nach dem Anlegen Ralf am Steg und empfängt uns daheim. Er hat uns auf seinen webcams kommen sehen.